UNIO’N
Vor 75 Jahren fanden sich die luxemburgischen Resistenzorganisationen zur „Unio’n“ zusammen.
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Luxemburger Wort online 24-03-2019)
Getrennt und doch geeint im Kampf gegen die deutsche Gewaltherrschaft in Luxemburg riskierten die Mitglieder des aktiven Widerstands ihr Leben während des Zweiten Weltkriegs. Unter dem Druck der Ereignisse und in Erwartung der immer wahrscheinlicheren militärischen Niederlage des „Dritten Reiches“ beschlossen sie am 23. März 1944, einen Bund zu bilden. Bei der Befreiung sollte diese „Unio’n vun de Letzeburger Freihétsorganisatio’nen“ eine wichtige Rolle spielen, musste dann aber der Politik erneut das Feld überlassen.
Erinnerungstafeln sieht meist nur der aufmerksame Fußgänger, der bereit ist, den Kopf ab und zu über die Auslagen der Geschäfte zu heben. Unscheinbar sieht auch jene aus, die am Haus 121 in der hauptstädtischen rue de Bonnevoie angebracht ist. Ein Wappen, daneben der kurze Text: „An dësem Haus gouf den 23. Mäerz 1944 an enger geheimer Sëtzung d’UNIO’N vun de Lëtzeburger Fräiheetsorganisatioune gegrënnt“.
Seit 2011 mahnt sie den Passanten, dieses wichtige Datum in der Geschichte des aktiven Widerstands gegen die unrechtmäßige Besatzung Luxemburgs durch das nationalsozialistische Deutschland und das mehr als vier Jahre währende Terrorregime nicht zu vergessen.
Am 10. Mai 1940 waren die deutschen Truppen in Luxemburg einmarschiert und verletzten damit, wie bereits 1914, dessen Neutralitätsstatus. Noch in der gleichen Nacht verließ Großherzogin Charlotte mit ihrer Familie und in Begleitung der Regierungsmitglieder das Land. Im August 1940 wurde die Militärverwaltung durch eine Zivilverwaltung unter Gauleiter Gustav Simon ersetzt, der unverzüglich mit der Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Bereiche begann. Die „urdeutschen“ Luxemburger sollten „heim ins Reich“ geholt, der „französische Firniss“ abgewaschen werden. Außer jenen, die sich schon früh in der „Volksdeutschen Bewegung“ organisiert hatten, missfiel dies den meisten Landsleuten. Erst im Vorjahr waren ihre patriotischen Gefühle durch die Hundertjahrfeiern der nationalen Unabhängigkeit gestärkt worden, die nun durch den Vereinnahmungsversuch des „Dritten Reiches“ bedroht war.
Dass propagandistische Überzeugungsversuche wenig brachten, musste Gauleiter Simon bereits nach wenigen Wochen einsehen. An ihre Stelle traten Zwangsmaßnahmen und Verbote. Das luxemburgische Rot-weiß-blau wurde durch die Hakenkreuzflagge ersetzt, Fotos der Großherzogin durch Hitlerporträts. Seinen Patriotismus versuchte man nun durch Anstecknadeln mit dem „Ro’de Le’w“ kundzutun, die bei den Feiern von 1939 getragen worden waren. Bei der „Gëlle Fra“ kam es noch im Oktober 1940 zu Protesten, an denen vor allem Schüler des benachbarten Athenäums teilnahmen. Anlass war der Abriss des Denkmals zu Ehren der gefallenen luxemburgischen Freiwilligen in der französischen Armee im Ersten Weltkrieg, das den neuen Machthabern ein Dorn im Auge war. Die Gestapo griff ein, es kam zu Verhaftungen. Das neu geschaffene „Sondergericht“ wachte darüber, dass „antideutsche“ Gefühlsausdrücke streng geahndet wurden. Öffentlicher Protest wurde nicht geduldet, das war den Luxemburgern bis Herbst 1940 klar geworden.
Der Widerstand organisiert sich Im Untergrund aber organisierte sich der Widerstand. Bereits im Sommer 1940 hatten sich in verschiedenen Teilen des Landes Anführer der Pfadfinderbewegung zusammengefunden, um mit entsprechenden Aktionen den „Prei‘sen“ Paroli zu bieten. Als die Bewegung ebenso wie andere Vereinigungen von der Zivilverwaltung verboten wurde, gründeten verschiedene Scout-Chefs eine geheime Organisation, die „Letzeburger Scouten an der Resistenz“ (LS). Im September 1940 bildete Raymond Petit, Schüler am Echternacher Lyzeum, eine weitere Widerstandsgruppe, die „Letzeburger Patriote Liga“ (LPL). Auch am Diekircher Lyzeum entstand zu dieser Zeit eine Gruppe junger Resistenzler, die „Trei Letzeburger Stodenten“ (TLS). Weitere Bewegungen erblickten damals das Tageslicht, so im Oktober 1940 in Bissen die „Letzeburger Legio‘n“ (LL), im folgenden Monat in Clerf eine zweite LPL genannte Organisation und im Dezember 1940 in Rümelingen die „Letzeburger Freihétsbewegong“ (LFB).
Diese Organisationen scharten sich meist um ihre Gründer und operierten zunächst in regional begrenztem Umfeld. Spontan entstanden bis Sommer 1941 noch weitere Bewegungen, vorwiegend im Süden des Landes: „Letzeburger Ro‘de Lé‘w“ (LRL) in Niederkerschen, „Letzeburger Freihétskämpfer“ (LFK) in verschiedenen Minette-Orten, ALWERAJE in Schifflingen, „Patriotes indépendants“ (PI-Men) in Differdingen, „Letzebuerger Freihétsbond“ (LFB) in Düdelingen.
Unabhängig voneinander operieren zu können versprach mehr Sicherheit, schränkte das Aktionsfeld aber ein. Durch Fusionen der TLS, LL und LS entstand bis Juni 1941 die „Letzeburger Vollekslegio‘n“ (LVL). Verstärkt wurde der Druck zur Zusammenarbeit durch die Verhaftungswellen ab November 1941, durch die mehrere Resistenzgruppen wertvolle Mitglieder verloren. Neben der LPL sollte sich die LVL danach zu einer der wichtigsten Widerstandsorganisationen entwickeln.
Die meisten dieser Organisationen hatten ihren Ursprung im patriotischen Widerstand gegen die unrechtmäßige deutsche Besatzung, was indirekt auch Opposition gegen das Naziregime und seine totalitäre Ideologie beinhaltete. Als wirklich „antifaschistisch“ betrachtete sich aber nur die ALEF („Aktiv Letzeburger Enhétsfront ge‘nt de Faschismus“), die 1942 aus der Widerstandsaktion der verbotenen, im Untergrund agierenden Kommunistischen Partei Luxemburgs (KPL) hervorgegangen war.
Vom Handzettel bis zum Generalstreik Im Vergleich zu Widerstandsgruppen, wie sie etwa den „Maquis“ im besetzten Frankreich bildeten, war der Handlungsspielraum in Luxemburg beschränkt. In dem kleinen Land fehlten Rückzugsmöglichkeiten für die Organisation bewaffneter Aktivitäten. Zunächst ging es den Widerstandsorganisationen darum, den Oppositionsgeist gegen die deutschen Besatzer zu fördern, die mit allgegenwärtiger Propaganda und Zwangsmaßnahmen der Bevölkerung einreden wollten, ihr einziges Heil läge in der großdeutschen Zukunft, und jeder Widerspruch würde hart bestraft. Auch der unscheinbarste, heimlich zirkulierende Handzettel mit patriotischen Aufrufen konnte den Luxemburgern, aber auch dem Gauleiter und seinen Gehilfen beweisen, dass diese geistige Gleichschaltung nicht gelungen war. Die Hilfeleistung für Familienangehörige festgenommener Landsleute und bei der Flucht ins Ausland waren daneben von Anfang an wichtige Aktivitäten des organisierten Widerstands.
Der Platz, um genauer auf diese Leistungen einzugehen, fehlt im Rahmen dieses Artikels. Wichtig ist aber, zwei Ereignisse hervorzuheben, die damals und in der Nachkriegszeit als größte Erfolge der Resistenz (dieser Ausdruck bezeichnet in Luxemburg den organisierten Widerstand, allgemeiner aber auch jede Oppositionshaltung gegenüber dem Naziregime) gefeiert wurden. Zum einen ... ... war es die Personenstandsaufnahme vom 10. Oktober 1941. Bei den Fragen zur Staatsangehörigkeit, Muttersprache und Volkszugehörigkeit sollten die Luxemburger mit „deutsch“ antworten. Die Widerstandsorganisationen sahen darin ein Referendum, das die Abschaffung der Unabhängigkeit des Landes besiegeln sollte und riefen die Bevölkerung auf, mit „dräimol Lëtzebuergesch“ zu antworten. Eine Stichprobe, die der Gauleiter durchführen ließ, schien zu bestätigen, dass die Aktion der deutschen Verwaltung ein Schuss nach hinten zu werden drohte, und so wurde sie abgeblasen.
Die Streikaktionen, mit denen Teile der Bevölkerung Anfang September 1942 auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Luxemburg reagierten, wurden ebenfalls als Erfolg von der Resistenz reklamiert. Inwieweit die Verteilung von Flugblattaufrufen Anteil daran hatte, oder ob die sehr unterschiedlichen Aktionen spontan ausbrachen, lässt sich im Nachhinein schwer belegen. Tatsache ist, dass dieser sogenannte „Generalstreik“ und seine blutige Repression durch die Nazis viel zur Achtung beitrug, die dem geknechteten Luxemburg durch befreundete Nationen zuteilwurde. Und ohne die Unterstützung verschiedener Widerstandsorganisationen für die „Jongen“ wäre es vielen Refraktären in den folgenden zwei Jahren nicht gelungen, ins Ausland zu flüchten oder in Luxemburg im Versteck zu überleben.
Blutzoll mussten auch die Widerstandsorganisationen immer wieder zahlen. Verrat durch Kollaborateure trug in einigen Fällen dazu bei. Eine der folgenreichsten Verhaftungswellen mündete in der Erschießung von 23 Resistenzlern am 25. Februar 1944 im Wald beim Sonderlager Hinzert im Hunsrück – der Tag, der heute alljährlich als „Nationalen Dag vun der Resistenz“ begangen wird.
Die „Unio’n“ plant die Nachkriegszeit
Die Dezimierung in den eigenen Reihen führte dazu, dass der Fusionsgedanke nun zielstrebiger verfolgt wurde. Nach langwierigen Verhandlungen wurde am 23. März 1944 der Zusammenschluss von LPL, LRL und LVL Wirklichkeit. So entstand die „Unio’n vun de Letzeburger Freihétsorganisatio’nen“. Die „Unio’n“ wurde zunächst nur von einem zentralen Komitee geleitet, das sich aus Vertretern der drei Organisationen zusammensetzte. An den Verhandlungen hatte ebenfalls der LFB teilgenommen, dieser wollte seinen Beitritt aber bis zum Abzug der Deutschen aus Sicherheitsgründen noch nicht vollziehen. Auch die PI-Men, die ohnehin bewusst auf eine straffe Hierarchie verzichteten, operierten weiterhin selbstständig.
Ideologische Unterschiede sorgten für Divergenzen, obwohl die „Unio’n“ den Einheitsgedanken auf ihre Fahne geschrieben hatte. „Haut stét em de Letzeburger Fuendel fest an éneg d’UNIO’N vun de Letzeburger Freihétsorganisatio’nen“ hieß es im Leitartikel der ersten Ausgabe der Untergrundzeitung „Fir d’Freihét“ (Juli 1944). Darin tat die „Unio’n“ auch ihre Absichten für die Nachkriegszeit kund. Den „gudde Letzeburger“ solle geholfen werden, die Verbrecher am luxemburgischen Volk dagegen zur Rechenschaft gezogen werden. Ruhe und Ordnung wolle man mithelfen aufrechtzuerhalten und beim Aufbau des neuen Staates Hand anlegen. Dafür reklamierte die „Unio’n“ ein Recht, das in Verhandlungen mit der legitimen Staatschefin und der Exilregierung umgesetzt werden sollte.
Inhaltlich lehnte sich das Programm eng an jenes des LVL an. Die Staatsform sollte weiterhin eine demokratische Monarchie sein, mit einer erheblichen Änderung, nämlich „e Parlament, dat aplaz aus Parteien, aus de Beruffstänn gewi’elt get.“ Damit näherte man sich ständestaatlichen Vorstellungen, wie sie im Vorkriegseuropa unter anderem in Österreich (1934) durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß umgesetzt worden waren.
Zwar sollte weiterhin Religionsfreiheit gelten, die katholische Religion aber als Staatsreligion anerkannt werden, wobei sie sich jedoch nicht in die Politik mischen dürfe. Die Erziehung müsste „am nationale Sönn“ erfolgen, die luxemburgische Sprache als „amtlech Sprôch“ gebraucht werden. Das Fremdengesetz sollte neu geregelt werden, auch die „Ausschaltong vun allen Auslänner aus de wichtegste Plazen“ wurde gefordert.
Sogar Luxemburger jenseits der Grenzen waren anvisiert, denn die „Unio’n“ wollte sich einsetzen für die „Kulturell, wirtschaftlech a politesch Verénegong matt dem fre’ere Letzeburg bis un d’Sprôchgrenz.“ „Letzeburg de Letzeburger“: Das Leitmotiv der „Unio’n“ und einige ihrer Forderungen zeigten zwar eine konservative, in Teilen gar reaktionäre Ausrichtung, die ebenfalls die Ideologie verschiedener Widerstandsgruppen charakterisierte. Es wäre allerdings verfehlt, einseitig aus heutiger Perspektive darüber zu richten. Dass Luxemburg keinem fremden Staat untergeben sein dürfte, war nach vier leidvollen Besatzungsjahren eine verständlichere Forderung, als wenn heute multikulturelle Einflüsse auf die luxemburgische Gesellschaft damit verhindern werden sollen. Auch die fast religiöse Verklärung, die Großherzogin Charlotte damals in der Resistenz und der Bevölkerung zuteilwurde, kann wohl nur im Kontext der damaligen Zeit richtig gewertet werden.
Von der Resistenz zur Politik
Die große Stunde der „Unio’n“ schlug am 10. September 1944, als amerikanische Truppen in Luxemburg einmarschierten. Bereits am Nachmittag trafen sich ihre Vertreter mit Prinz Felix, der mit Erbgroßherzog Jean an der Befreiung teilgenommen hatte. Die Regierung war zu diesem Zeitpunkt noch im Exil, ebenso die Großherzogin. In einem Aufruf teilte die „Unio’n“ der Bevölkerung mit, dass sie im Einverständnis mit den Besatzungsbehörden bis auf weiteres die Leitung über das zivile Leben übernehmen würde. So sollte unter anderem eine gerechte Lebensmittelversorgung garantiert werden. Um Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, wurde eine Ordnungstruppe geschaffen, deren Mitglieder an einem weißen Armband mit dem Stempel der „Unio’n“ und dem von zwei Roten Löwen umgebenen Aufdruck „Miliz“ zu erkennen waren. Sie setzte sich vorwiegend aus Mitgliedern der Resistenz wie auch Refraktären zusammen.
Die Milizionäre verhinderten aber nicht immer, dass es zu Exzessen gegen die „Gielemännercher“ kam, die nun von dem aufgebrachten Volk gestellt, gedemütigt und manchmal auch körperlich misshandelt wurden. Zumindest traf es in diesen Tagen jene, die sich nicht rechtzeitig mit den deutschen Besatzern, angeführt von Gauleiter Simon, hinter der Front in Sicherheit gebracht hatten.
Diese Übergangszeit währte allerdings knapp zwei Wochen, denn am 23. September 1944 übernahm die aus dem Londoner Exil zurückgekehrte Regierung wieder die Amtsgeschäfte. Die „Unio’n“ musste frustriert feststellen, dass ihre öffentliche Rolle zunehmend ins Abseits zu geraten drohte. Ohnehin hatte nie große Freundschaft zwischen der Exilregierung (der man vorwarf, das Land im Mai 1940 im Stich gelassen zu haben) und der Resistenz bestanden. Vom „Gebrauch vun onsem Recht LETZEBURG nei opzebauen“ war im Juli gesprochen worden. Das hieß für die „Unio’n“-Vertreter, aktiv in der Politik mitzuarbeiten und auch in der Regierung repräsentiert zu sein.
Die Kritik beruhigte sich zunächst, als die Regierung unter Pierre Dupong Ende 1944 und Anfang 1945 neue Minister aufnahm, die der „Unio’n“ nahestanden. Dies allerdings nur für kurze Zeit, denn der Regierungsbeschluss im Februar 1945, eine „Assemblée consultative“ zu schaffen, weil die alte (d. h. 1937 gewählte) Abgeordnetenkammer zu diesem Zeitpunkt zahlenmäßig nicht mehr handlungsfähig war, sorgte für neue Unbill. Dupong hatte eigentlich einen klugen Schachzug geplant: Die „Assemblée consultative“ sollte ein Forum für die öffentliche Meinung sein, allerdings keine legislativen Befugnisse besitzen, letztlich also mehr oder weniger bloß die Entscheidungen der Exekutive legitimieren helfen.
Das leidige Thema der „Epuration“
Baustellen gab es in dieser Zeit mehr als genug, allen voran beim Wiederaufbau des Landes, der besonders im Norden nach den Zerstörungen der Ardennenoffensive bitter nötig war. Hinzu kam die „Epuration“, das strafrechtliche und administrative Vorgehen gegen alle Luxemburger, die sich der Kollaboration verdächtig gemacht hatten.
Auch die vielen Heimkehrer stellten Luxemburg vor neue Herausforderungen: Tausende „Jongen“ aus der Kriegsgefangenschaft, befreite Lagerhäftlinge, umgesiedelte Familien.
Allein schon die strafrechtlichen Untersuchungen (deren gab es 9 546) und Säuberungsaktionen (fast 25 000 Dossiers) gegen tatsächliche und vermeintliche Kollaborateure sorgten für Unmut bei den Resistenzlern, zumal es nur in vergleichsweise wenigen Fällen zu Verurteilungen (2 275) bzw. Beanstandungen (870) kam. Mit Wut im Bauch mussten sie zudem feststellen, dass es „Kriegsgewinnler“ gab, und ihr eigener Patriotismus nicht genügend gewürdigt wurde. Auch in den eigenen Reihen marschierten plötzlich solche mit, die sich bis zu den letzten Tagen der deutschen Besatzung eigentlich wenig durch die Teilnahme an Widerstandsaktionen hervorgetan hatten, es aber verstanden, sich nun im öffentlichen Leben ins rechte Licht zu rücken.
Die kritischen Stimmen gingen über die Stellungnahmen der „Unio’n“ hinaus, Brüche in der mehr beschworenen als real je existierenden Einheitsfront der Resistenz wurden deutlich, wobei etwa der Streit mit der ALWERAJE und den PI-Men auch in dem seit der Befreiung erscheinenden Organ „d’Unio‘n“ ausgetragen wurde.
Im Oktober 1945 fanden erstmals wieder freie Kommunal- und Parlamentswahlen statt. Aus den Nationalwahlen vom 21. Oktober 1945 ging ein Kabinett der „Nationalen Union“ hervor. Vieles blieb beim Alten: Pierre Dupong wurde erneut Premierminister, Joseph Bech amtierte weiterhin im Außenministerium. Neben den beiden CSV-Ministern (die Rechtspartei hatte ihren Namen in „Chrëschtlech-Sozial Vollékspartei“ geändert), blieben auch die anderen Minister der alten Regierung im Amt. Allerdings kam es zu einer Erweiterung der Ressortzahl. Neben der LSAP waren nun ebenfalls die KPL sowie das neu gegründete „Groupement démocratique“, in dem Liberale und Resistenzler sich zusammengetan hatten, im neuen Kabinett vertreten.
Vorerst gab es also keine parlamentarische Opposition mehr, die Kritik verlagerte sich außerhalb der Abgeordnetenkammer. Es blieb auf beiden Seiten eine gereizte Stimmung, die 1946 in den Vorwürfen eines angeblichen „Putschversuchs“, an dem frühere Resistenzler beteiligt sein sollten, gipfelten. Das Verfahren wurde eingestellt, die Rückkehr zur Normalität drängte solche Auseinandersetzungen immer mehr in den Hintergrund. Die „Unio’n“ fand sich nach und nach in der Parteipolitik wieder, an der sie über das „Groupement démocratique“ teilnahm. Aus diesem sollte 1955 die Demokratische Partei entstehen. Bereits 1948 war aus der eigenen Zeitung „d’Unio‘n“ (sowie der „Obermosel-Zeitung“) das „Lëtzebuerger Journal“ geworden.
Kampf gegen das Vergessen
Die „Unio’n“, die sich nun „Union des mouvements de Résistance“ nannte, wurde eine der Hauptorganisationen, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten die Gedenkarbeit  an die Opfer des Zweiten Weltkriegs in Luxemburg prägten. Die Zwangsrekrutierten hatten sich in einem eigenen Verband zusammengeschlossen („Ons Jongen“), ebenso die politischen Häftlinge und Deportierten (LPPD – „Ligue Luxembourgeoise des Prisonniers et Déportés politiques“), dazu kam eine Unzahl von Vereinigungen, die einzelne Opfergruppen repräsentierten.
Der Kampf um Recht und Anerkennung – durch den luxemburgischen, aber auch den deutschen Staat – prägte ihre Aktivitäten und zum Teil auch untereinander ausgetragene Zwistigkeiten. Je mehr die Jahre vergingen, umso deutlicher wurde Resistenzlern und Zwangsrekrutierten, dass es auch ein Kampf gegen das Vergessen zu werden drohte. Neben der Inszenierung von Erinnerungszeremonien ergriffen viele Beteiligte die Feder, um der Öffentlichkeit ihre Kriegserinnerungen mitzuteilen. Gerade auf dem Gebiet von Widerstandsaktivitäten, wo aus Gründen der Sicherheit vieles nicht schriftlich festgehalten wurde, entwickelte sich diese Memoirenliteratur neben Fragebögen und Zeugenaussagen aus den Nachkriegsjahren zu einer der wenigen Quellen für Forscher, die am Thema arbeiteten.
Vieles, was die Geschichte der Widerstandsbewegungen im Krieg angeht, liegt in einer Schattenzone. Das erklärt auch, dass die akademische Forschung das Thema bisher kaum aufgegriffen hat, Detailuntersuchungen ebenso fehlen wie eine wissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung. Ansätze gibt es wohl, die meisten allerdings auch bereits mehrere Jahre alt, wie etwa die Arbeiten von Lucien Blau (1984), Henri Wehenkel (1985) oder Serge Hoffmann (2004). Ein 2002 in Esch durchgeführtes internationales Kolloquium zum Thema „Les courants politiques de la Résistance: Continuités ou ruptures?“ erbrachte nur zum Teil neue Resultate. Daran hat sich seither kaum etwas geändert.
Um die „Unio’n“ ist es mittlerweile still geworden. Heute ist die Erinnerungsarbeit auf staatlicher Ebene bei einer einzigen Dienststelle (dem „Service de la mémoire de la Seconde Guerre mondiale“) sowie zwei Stiftungen zentralisiert – eine Straffung, von der sich mehr Wirksamkeit erwartet wird. Vielleicht auch, um die Nachkriegsgenerationen daran zu erinnern, was es auf sich hat mit der unscheinbaren Erinnerungstafel am Haus 121 in der Bonneweger Straße.
Luxemburger Wort online 24-03-2019